Kritisch – offen – vielseitig
07.04.2015
13. Deutscher Schlauchlinertag setzt auf Dialog
Nach den Auftaktveranstaltungen zu Beginn des Jahres blickt die Branche erwartungsvoll in Richtung Pforzheim, wo am 23. April der 13. Deutsche Schlauchlinertag stattfinden wird. Nach 2009 übrigens zum zweiten Mal in der baden-württembergischen Stadt am Nordrand des Schwarzwaldes und – wie damals – im städtischen CongressCentrum am Waisenhausplatz. Hier haben Dipl.-Ing. Franz Hoppe, lange Jahre in verantwortlicher Position bei der Hamburger Stadtentwässerung tätig, und Dr.-Ing. Igor Borovsky von der Technischen Akademie Hannover, gemeinsam mit den Sponsoren ein vielfältiges Tagungsprogramm auf die Beine gestellt.
Die Spannbreite reicht von politischen und rechtlichen Inhalten über Aspekte der Qualitätssicherung bis hin zu technischen Fragestellungen und wird durch die Darstellung konkreter praktischer Fallbeispiele ergänzt. Einen festen Platz im Programm nimmt wie im Vorjahr das speziell für erstmalige Besucher der Veranstaltung konzipierte Einsteigerforum ein: Es vermittelt Grundlagen über den Einsatz von Schlauchlinern in Abwasserleitungen und -kanälen und soll einen Überblick über die Anbindung von Schlauchlinern sowie das hierfür notwendige Equipment geben. Ebenso fortgesetzt wird das Firmenforum der Sponsoren, in dessen Rahmen Hersteller und Anwender detailliert über technische Weiterentwicklungen in den Unternehmen berichten und mit Besuchern ins Gespräch kommen wollen.
Die traditionelle begleitende Fachausstellung sowie die erstmals ins Programm aufgenommenen moderierten Außenvorführungen bieten den Teilnehmern weitere Möglichkeiten, sich mit Herstellern und Anwendern intensiv auszutauschen. Und das – so ist es charakteristisch für den Schlauchlinertag – auf Augenhöhe: kritisch, offen und mit Blick auf alle Facetten eines Sanierungsverfahrens, bei dessen Anwendung mit dem fachgerechten Einzug eines Schlauchliners in eine renovierungsbedürftige Leitung ein statisch tragfähiger, dichter und betriebssicheren Kanal entsteht.
Qualität auf hohem Niveau
Dass die Qualität eingebauter Schlauchliner auch im Jahr 2014 überwiegend als gut bis sehr gut zu beurteilen ist, belegen die Ergebnisse des elften vom IKT – Institut für Unterirdische Infrastruktur veröffentlichte LinerReports. Rund 1.800 Proben waren im vergangenen Jahr auf Baustellen entnommen und von einer Prüfstelle für Schlauchliner untersucht worden. Zahlen wie 97 bis 99 % bestanden und im Vergleich zum Vorjahr weiter verbesserte Werte bei Parametern wie E-Modul, Biegefestigkeit oder Wanddicke sprechen für sich und sind Beleg für das hohe Qualitätsniveau eines Produktes, das seine Position nicht nur auf dem deutschen Sanierungsmarkt stärkt, sondern auch für Impulse speziell im westeuropäischen Ausland sorgt.
Mehr Lobby muss her
Franz Hoppe begrüßt diese Entwicklung. Denn laut dem Konzeptgeber des Deutschen Schlauchlinertages fehlt es unserer unterirdischen Infrastruktur nach wie vor an der nötigen Aufmerksamkeit – bei den politischen Entscheidungsträgern ebenso wie bei den Bürgern. "Die Beseitigung von Straßenschäden ist eben wesentlich öffentlichkeitswirksamer als Investitionen in die Erhaltung von Abwasserleitungen oder steigende Abwassergebühren“, so Hoppe. Unter anderem deshalb finden die rund 600.000 km langen Leitungsnetze in unserem Untergrund keine ausreichende Beachtung. Wir nutzen diese wie selbstverständlich und hoffen, dass sie möglichst lange funktionieren. Jährlich produzieren private Haushalte, Gewerbebetriebe und die Industrie viele Millionen Kubikmeter Abwasser, die geordnet abgeführt und behandelt werden müssen. Hinzu kommt das Regenwasser, das in der Regel ebenfalls über die Kanalisation abgeleitet wird.
Schutz von Mensch und Umwelt
Die folgenden Zahlen verdeutlichen, welch hohen Stellenwert die Instandhaltung dieser Vermögenswerte einnehmen müsste: Laut einer Untersuchung der TU Dresden (2002) übertreffen die Wiederbeschaffungskosten der Einrichtungen der Abwasserentsorgung (576 Mrd. Euro) den Wiederbeschaffungswert aller Verkehrsanlagen (489 Mrd. Euro) um fast 90 Milliarden Euro! Dass die Finanzen allerdings nur eine Seite der Medaille ist, darauf weist Hoppe noch einmal ausdrücklich hin, denn "nur eine intakte Kanalisation schützt die Menschen vor Seuchen und die Umwelt vor Verunreinigungen.“ Allerdings machen Ergebnisse von Umfragen wie etwa das der DWA-Umfrage zum Zustand der Kanalisation in Deutschland aus dem Jahr 2009 deutlich, dass die derzeitigen Anstrengungen und Aufwendungen der Netzbetreiber nicht ausreichen, um den bestehenden Sanierungsbedarf signifikant abzubauen und somit einen Beitrag zum Erhalt der baulichen Substanz zu leisten. "Dieses Verhalten führt zu einem schleichenden Verzehr der Substanz – mit schlimmen Folgen für Städte und Gemeinden sowie deren Bürger“, stellt Hoppe deshalb unmissverständlich fest.
Leere Kassen?
Das ewige Wehklagen über zu leere Kassen möchte er in diesem Zusammenhang allerdings auch nicht mehr gelten lassen. Gebühren müssen konsequent und zielgerichtet wieder in die Kanalisation investiert werden, so sein Appell. Zudem müssten qualitativ hochwertige Produkte und eine hochwertige Ausführungsqualität auch zu auskömmlichen Preisen vermarktet werden können, erteilt Hoppe der "Geiz-ist-geil-Mentalität“ eine eindeutige Absage. Projekte, bei denen am Ende mit gutem Willen eine Null steht, gefährden auf Dauer das wirtschaftliche Überleben von Unternehmen und tragen entscheidend dazu bei, dass kein Geld mehr in die Forschung und Entwicklung fließt.
In diesem Spannungsfeld zwischen ökonomischen, ökologischen, juristischen und technischen Herausforderungen werden die Diskussionen auf dem 13. Schlauchlinertag in Pforzheim deshalb wieder auf fruchtbaren Boden treffen. Fachvorträge beleuchten die Bedeutung des Schlauchliningverfahrens und die derzeitige Situation im Markt; Entscheidungsspielräume des Auftraggebers und vergaberechtliche Grenzen werden ebenso ausgelotet wie die Ausschreibung und ihre Auswirkung auf die Kalkulation. Dem Überblick über Verfahren und Neuheiten wird ein ebenso großer Platz eingeräumt wie der Diskussion über zeitgemäße Qualitätssicherungsaspekte und Fallbeispielen aus der Praxis.
Anwendungsspektrum wird breiter
"Die Veranstaltung in Pforzheim wird zeigen, dass sich sowohl beim Produkt Schlauchliner als auch bei der Verfahrenstechnik immer noch etwas bewegt“, blickt Igor Borovsky erwartungsvoll nach vorne. Beispielhaft hierfür steht die Entwicklung bei den UV-härtenden Glasfaserschläuchen, die sich in den letzten Jahren zunehmend auch größere Nennweitenbereiche erschlossen haben. So lassen sich etwa Glasfaser-Liner in Nennweiten über DN 1000 bis DN 1500 mittlerweile problemlos aufstellen und aushärten. Das muss kein Nachteil für den klassischen Nadelfilzschlauch sein, sondern zeigt vielmehr, dass das Spektrum der Lösungen im Schlauchlinerbereich um eine interessante Variante bereichert wurde. Das ermöglicht die Auswahl und Anwendung des optimalen Verfahrens für eine anstehende Sanierungsaufgabe – ein Umstand, von dem die Netzbetreiber und die Kanalisation letztendlich nur profitieren können. Zudem haben die Hersteller von Schlauchlinern zunehmend den Druckrohrbereich im Blick – auch das eine konsequente Entwicklung, die zeigt, dass das Einsatzspektrum immer breiter wird. Gespannt sein dürfen die Teilnehmer am 13. Schlauchlinertag auch auf neue Aspekte beim Dauerthema "Anbindung von Schlauchlinern im Bereich von Schächten und Anschlusskanälen“. Vorhandene Produkte und Neuentwicklungen stehen hier, mit Blick auf ihre Einsatzmöglichkeiten und Grenzen, nach wie vor auf dem Prüfstand.
Gesprächsstoff scheint also genug vorhanden, sodass der kommende Schlauchlinertag mit einem ebenso guten Zuspruch und einem ebenso lebhaften und angeregten Austausch zwischen Herstellern, Anwendern, Netzbetreibern, Auftraggebern und Planern rechnen kann wie die Vorjahresveranstaltung in Düsseldorf. Hier hatten vor allem das erstmals ins Tagungsprogramm aufgenommene Firmenforum der Sponsoren und das speziell für neue Besucher der Veranstaltung konzipierte Einsteigerforum für Furore gesorgt. Doch auch das diesjährige Tagungsprogramm kann mit einer Neuerung aufwarten: Im Rahmen moderierter Außenvorführungen gewähren Hersteller einen Blick hinter die Kulissen, unter anderem bei der Aushärtung eines Liners mit Dimensionssprung, beim Einzug großer GFK-Liner, bei einer UV-Aushärtung, einer Hausanschlusssanierung und dem Einbau von Liner-Endmanschetten.
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