Überflutungsvorsorge klimafest machen – Lehren und Konsequenzen aus der Hochwasserkatastrophe 2021
26.08.2022
DWA legt Positionspapier „Hochwasser und Starkregen“ vor
Starkregenvorsorge verbindlich in Bauleitplanung integrieren, Zonung nach Gefährdung in Überschwemmungsgebieten, Starkregenvorsorge und Hochwasservorsorge gesamtheitlich denken, diese Forderungen stellt die DWA - Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall in ihrem aktuellen Positionspapier „Hochwasser und Starkregen“.
„Politik und Wasserwirtschaft müssen die notwendigen Maßnahmen schnell und umfassend umsetzen. Ein vollständiger Schutz vor Überflutungen kann nie, insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels, gewährleistet werden. Weitreichende Vorsorgemaßnahmen sind aber möglich und notwendig, um die Risiken niedrig zu halten. Zudem muss das Katastrophenmanagement so verbessert werden, dass der Verlust von Menschenleben sicher verhindert werden kann,“ betonte DWA-Präsident Uli Paetzel anlässlich des Jahrestages der Hochwasserkatastrophe am 14. und 15. Juli. „Eine solche Katastrophe darf sich nicht wiederholen.“
Überflutungsvorsorge klimafest gestalten
Bezüglich des Klimawandels sind noch viele Fragen offen, Einigkeit besteht aber bei den Niederschlagsprognosen: Starkregenereignisse werden intensiver und häufiger. Dies gilt lokal begrenzt aber auch für niederschlagsreiche Großwetterlagen. Die Vorsorge vor Hochwasser und lokalen Sturzfluten wird dadurch ein Handlungsschwerpunkt für die öffentliche Gefahrenvorsorge. Maßnahmen des Hochwasser- und Starkregenrisikomanagements müssen in die Raumordnungs- und Regionalplanung eingebunden sein und einem wasserwirtschaftlichen Rahmenplan folgen.
Grundsätzlich gilt: Wasser braucht Raum! Überflutungsvorsorge muss in der Fläche beginnen. Auen müssen reaktiviert, Deiche wo möglich zurückverlegt werden. Die Neuversiegelung von Flächen ist zu stoppen, Entsiegelungsmaßnahmen müssen gezielt gefördert und breit etabliert werden. Der urbane Raum, in dem Überflutungen zu besonders hohen Schäden führen, muss mit dem Umland verzahnt werden. Wasserwirtschaftlichen Zusammenhängen muss bei der Vorsorge vor Überflutungen besondere Beachtung geschenkt werden.
Bauen in hochwassergefährdeten Gebieten stringent regulieren
Trotz aller Vorsorge – Wasserrückhalt und technischer Hochwasserschutz - Überflutungen werden sich niemals vollständig vermeiden lassen. Das Bauen in hochwassergefährdeten Gebieten muss daher deutlich stringenter reguliert werden. Sinnvoll ist eine Zonung innerhalb der festgesetzten Überschwemmungsgebiete nach Gefährdungslage. In besonders gefährdeten Bereichen ist ein generelles absolutes Bauverbot notwendig, in den anderen Zonen sind unterschiedlich strenge Anforderungen an Ausnahmen festzulegen. Die Schweiz geht diesen Weg.
Überflutungsvorsorge darf sich nicht auf Neubauten beschränken. Im Bestand müssen im Rahmen der Eigenvorsorge Anpassungsmaßnahmen verstärkt werden. Staatliche Stellen müssen hier konkrete Hilfestellungen anbieten.
Verständliche Risikokommunikation und resiliente Infrastruktur
Um die Bürgerinnen und Bürger bei der Überflutungsvorsorge mitzunehmen, ist eine offensive und vor allem verständliche Risikokommunikation notwendig. Die DWA begrüßt die im Koalitionsvertrag der Bundessregierung vorgesehene Schaffung bundeseinheitlicher Standards zur Risikobewertung für Hochwasser und Starkregenüberflutungen. Datenschutzrechtliche Hindernisse bei der Veröffentlichung von Starkregengefahrenkarten sind dringend abzubauen. Gefahren- und Risikokarten müssen einfach lesbar, nachvollziehbar und leicht auffindbar sein. Die Starkregenvorsorge muss zudem verbindlich in die Bauleitplanung einfließen.
Zu einer verbesserten Risikokommunikation gehört auch eine praxistaugliche, effektive und verständliche Frühwarnung im Ereignisfall. Bei Flusshochwasser ist dies in der Regel deutlich leichter als im Bereich von Sturzfluten. Es muss ein integratives, einheitliches und verständliches Frühwarnsystem geben, digital (z.B. SMS per Cell-Broadcast) und analog (Sirenen) unterstützt durch regelmäßige Übungen unter Einbeziehung der Bevölkerung. Die Zusammenarbeit von Überflutungsvorsorge und Katastrophenschutz muss optimiert, der Katastrophenschutz selbst modernisiert und besser ausgestattet werden.
Notwendig ist dafür besonders eine klimaresiliente leitungsgebundene kritische Infrastruktur. Das gilt für die Telekommunikation, die Energieversorgung und die Wasserver- und Entsorgung, aber auch für die Infrastruktur der Hochwasservorhersage und Frühwarnung, insbesondere Pegel und Datenübertragungswege. Hierzu sind erhebliche staatliche Investitionsentscheidungen zu treffen.
Die Wasserwirtschaft steht für die Umsetzung und Unterstützung aller Maßnahmen bereit. Der Bund muss aber die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Aktuell bestehen unscharfe Trennungslinien zwischen den Zuständigkeiten von Stadtentwässerung, gebührenfinanziert für die Abwasserentsorgung, Kommune, haushaltsfinanziert für die Starkregenvorsorge, und Länderbehörden für den Hochwasserschutz. Die sachlichen Zusammenhänge verbieten diese getrennte Betrachtung, Hochwasser- und Starkregenereignisse müssen ganzheitlich gedacht werden. Und, zentrale Forderung der Wasserwirtschaft: Die Flächenverfügbarkeit muss deutlich verbessert werden. Ohne Flächen ist kein vorsorgender Überflutungsschutz möglich.
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