Partnerschaftlich durch die Anschlusskanäle. Kassel will künftig "geoASYS"-Daten ins GIS-System einbinden
06.11.2006
Eine neue Rechtslage zwingt hessische Kommunen, künftig auch ein prüfendes Kameraauge in die Abwasser-Anschlusskanäle bis zur Hauswand zu werfen. Ein ebenso konsequentes wie ehrgeiziges Ziel hat man sich anlässlich der Umsetzung dieser Vorgaben in Kassel gesetzt. Künftig sollen dort alle untersuchten Hausanschlusskanäle während der Inspektion exakt geodätisch eingemessen und die Daten unmittelbar in das GIS-System der Stadt Kassel eingebunden werden.
Auf Deutschlands Grundstücksbesitzer kommt etwas zu: Bis 31.12.2015 müssen alle rund 17 Millionen privaten Liegenschaften des Landes auf ihren Zustand hin untersucht werden, um Schäden zu erkennen und zu beheben. Das einschlägige technische Regelwerk fordert jedoch nicht eine Untersuchung der Abwassernetze, sondern auch die Dokumentation der Befunde auf der Grundlage eines zutreffenden Lageplanes. Ein Plan fehlt jedoch vielfach; die Zustandskontrolle auf dem Grundstück beginnt daher nicht selten mit zeitraubender und kostentreibender Suche und Rekonstruktion des möglichen Leitungsverlaufs.
Um Grundleitungsnetze vollständig zu orten, muss die Kamera in der Lage sein, wirklich alle Leitungen auf dem Grundstück und unter dem Gebäudegrundriss zu erreichen. Die Lindauer Schere ist eine miniaturisierte Dreh-Schwenkkopf-Kamera, die mit Hilfe einer Scherenmechanik in Seitenstränge des Grundleitungsnetzes abbiegt und dabei wahlweise geschoben oder hydraulisch angetrieben wird. Die Schere, die seit zwei Jahren erfolgreich eingesetzt wird, ist aufgrund ihrer hohen Erreichbarkeit, das ideale Basis-System für ASYS. Anders als herkömmliche Ortungstechniken, die nach dem Sender-Empfänger-Prinzip arbeiten, ist ASYS keinen äußeren Störeinflüssen durch kreuzende Leitungen oder elektrische Felder ausgesetzt ist. Auch muss niemand der Leitung an der Oberfläche mit einem Ortungsgerät folgen, was in der Praxis oft gar nicht möglich ist.
Nachdem sich ASYS bereits bei vielen Dienstleistern als neues attraktives Angebot für die nachträgliche Erstellung von Lageplänen bewährt hat, haben seine Entwickler nun eine neue Herausforderung ins Visier genommen. Dabei geht es um die automatische Einbindung der ASYS-Messdaten in vorhandene geografische Informationssysteme (GIS). Im Rahmen eines auf der ENTSORGA-ENTECO 2006 ratifizierten PPP-Projektes wird derzeit gemeinsam mit den Kasseler Entwässerungsbetrieben (KEB) und der Uni der Bundeswehr München das System geoASYS aufgebaut, das eine exakte Geo-Referenzierung von ASYS-Messdaten zum Ziel hat.
In Kassel, das nach dem neuen § 41 b des Hessischen Wassergesetzes rund 40.000 Anschlusskanäle zu beaufsichtigen hat, wurde klar erkannt: Der anstehende Untersuchungsaufwand hat technisch und wirtschaftlich nur Sinn, wenn man die zu untersuchenden Leitungen exakt vermisst und die Messdaten dann in das Kasseler GIS-System integrieren kann. Eine solche Erweiterung des auf dem System KANDIS basierenden Kanalkatasters bietet ganz neue Optionen für die Erbringung von Dienstleistungen für den gebührenzahlenden Bürger als Kunden und für die Optimierung von Verwaltungs- und Bauvorgängen in Abstimmung mit anderen Leitungsträgern oder der Straßenbaulast. Die Verbindung mit dem GIS wird viele Prozesse deutlich wirtschaftlicher machen, ist Dipl.-Ing. Uwe Neuschäfer, stellvertretender KEB-Betriebsleiter, sicher.
Aufbauend auf der bisherigen, in Kassel weitgehend positiv getesteten Funktionalität der Lindauer Schere mit ASYS, haben die KEB bei JT-elektronik in Lindau ein Inspektionsfahrzeug aufbauen lassen, mit dem in den kommenden rund 24 Monaten systematisch Kasseler Hausanschlusskanäle untersucht und vermessen werden sollen. Die Erfahrungen dabei sollen genutzt werden, um einerseits die sensorischen Komponenten weiter zu entwickeln. Die Lagesensoren, an denen ein Bundeswehr-Uni-Team um Professor Hans Heister arbeitet, sollen die Bewegungen des Kamerakopfes künftig noch wesentlich genauer erfassen als bisher. Ist dieses Ziel erreicht, kommt Heisters Uni-Kollege Prof. Wolfgang Reinhardt ins Spiel.
Sein Ziel ist die präzise geodätische Referenzierung der ASYS-Daten. Prof. Reinhardt ist als Informatiker des Projekts dafür zuständig, dass die Software-Schnittstellen zwischen ASYS-Messdaten, Kanalkataster und dem Kasseler GIS-System reibungslos funktionieren. Bei JT-elektronik schließlich wird man, sobald und soweit sich das als notwendig erweisen sollte, die Kameratechnik und das Einsatzfahrzeug den unter Kassels Grundstücken gesammelten Erfahrungen anpassen.
Um diese Ziele zu erreichen, haben sich die Partner eine Zeitrahmen von zwei Jahren gesetzt, innerhalb derer ASYS in seiner heutigen Form zum voll funktionalen geoASYS heranwachsen soll. Sobald dies gelungen ist, darüber sind sich alle Partner einig, ist die Tür zu einer neuen Epoche der Kanaldatenerfassung und -Verwaltung weit aufgestoßen.
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