Grabenlos durch Feld und Flur - Trinkwasserleitung mit Compact Pipe saniert

03.10.2008

Häufig auftretende Schäden und das Aufrechterhalten der hohen Versorgungssicherheit waren die wesentlichen Argumente für die Sanierung einer Trinkwasserleitung in Tönisvorst. Zum Einsatz kam das Compact Pipe-Verfahren - mit überzeugendem Erfolg.

Bei der zu sanierenden Leitung handelt es sich um eine 1935 Meter lange Transportleitung DA 280 x 13,4 aus PVC. Sie dient im Wesentlichen der Notversorgung eines Stadtteils von Tönisvorst. Die Leitung wurde Anfang der siebziger Jahre gebaut und in der Vergangenheit kam es immer wieder zu Schadensfällen, verbunden mit hohen Wasserverlusten und mit einer Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. "Als vor zwei Jahren innerhalb eines Jahres drei Schäden auftraten, war uns klar, dass die häufige Reparatur von Einzelschäden bei dieser Leitung nicht die richtige Instandhaltungsstrategie sein kann", sagt Dieter Gredig, Technischer Leiter der Stadtwerke Tönisvorst GmbH, die das Trinkwassernetz in Tönisvorst seit 8 Jahren betreibt.
Schadensbild Stegrissbildung
Bei dem vorgefundenen Schadensbild handelt es sich um die so genannte Stegrissbildung. Mit dieser produktionstechnisch bedingten Schwachstelle hatten Anfang der siebziger Jahre alle Hersteller von PVC-Rohren zu tun, erläutert Heinrich Bollmer aus der Anwendungstechnik vom Rohrhersteller Wavin. Vereinfacht dargestellt wurde das Rohr im Herstellungsprozess in Längsrichtung aufgeschnitten und anschließend unter dem Einfluss von Temperatur und Druck wieder zusammengefügt. An dieser Nahtstelle besteht bei PVC-Rohren aus dieser Produktionszeit ein erhöhtes Risiko, unter Druck, insbesondere bei Druckstößen, in Längsrichtung komplett aufzureißen. Der Fehler wurde damals schnell erkannt und konnte umgehend abgestellt werden, betont Heinrich Bollmer. Das Schadensbild ist jedoch noch heute hin und wieder anzutreffen, wie die Leitung in Tönisvorst zeigt.
Wirtschaftlichste Variante: Compact Pipe
Um das Problem zu lösen, wurden als Alternativen die Neuverlegung und die Sanierung der vorhandenen Leitung betrachtet. Die Leitungstrasse verläuft hauptsächlich entlang von Wirtschaftswegen oder in landwirtschaftlich genutzten Flächen. Auf den ersten Blick klassische Voraussetzungen für den Bagger und die Neuverlegung in offener Bauweise. Bei näherem Hinsehen gestaltet sich die Situation jedoch deutlich komplizierter. "Die Eintragung von Dienstbarkeiten, Nutzungsausfälle, und Ertragsminderung, verursacht durch die in Anspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten Flächen während der Bauphase hätten Kosten und Entschädigungszahlungen zu Gunsten der Grundstückseigentümer in erheblicher und schwer zu kalkulierender Höhe verursacht", so Dieter Gredig. Weiterhin war zu berücksichtigen, dass die Leitung in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. So wurden auch grabenlose Sanierungsverfahren wie Berstlining oder Einzugsverfahren in die Betrachtungen einbezogen. Dabei erwies sich unter dem Strich das Compact Pipe von Wavin, angeboten von der Kölner Niederlassung von Stehmeyer & Bischoff als die unter den gegebenen Randbedingungen wirtschaftlichste Variante.
Diese Randbedingungen boten für das Compact Pipe-Verfahren ideale Voraussetzungen. Es konnten Einzugslängen zwischen 200 und bis zu 410 Meter realisiert werden. Der begrenzende Faktor für die Länge der Einzelabschnitte war die maximal auf eine Trommel zu wickelnde Rohrlänge. Ein weitere Vorteil für die grabenlose Technik: Da es sich um eine Transportleitung handelt, waren keine Anschlussleitungen einzubinden.
Wie neu verlegt
Das verwendetet Rohr der Dimension DA 250 besteht aus PE 100 mit einer Wandstärke von 14,7 mm und ist ausgelegt für einen Betriebsdruck bis 10 bar. "Mit einem solchen Rohr können auch Abwinkelungen bis 45 Grad durchfahren  werden, wenn es sich um gezogene Bögen mit einem Radius von 5 mal DA handelt", erläutert Heinrich Bollmer. Das Rohr verfügt über eine eigene Statik und gilt als neues System im alten System. "Wir betrachten Compact Pipe wie ein in konventioneller Bauweise verlegtes neues Rohr. Ein Punkt, der für die Festlegung der Abschreibungszeit damit für die Kalkulation der Kaufleute von besonderer Bedeutung ist", ergänzt Dieter Gredig.
Beim Compact Pipe Verfahren wird im Werk ein rundes Rohr produziert, abgekühlt und bei einer genau definierten Temperatur in die C-Form gebracht. Diese Temperatur ist produktionstechnisches Betriebsgeheimnis. Sie ist nämlich entscheidend für den so genannten "Memory-Effekt", der dafür sorgt, dass sich das durch die Verformung im Querschnitt reduzierte Rohr nach dem Einzug in die zu sanierende Leitung während der Erwärmung mit heißem Dampf an seine Ursprungsform "erinnert" und sich ohne zusätzlichen Innendruck als rundes Rohr "close fit" an die Innenwand der alten Leitung anlegt.
Compact Pipe ist verfügbar für die Sanierung bzw. grabenlose Erneuerung von Leitungen bis zu einem Durchmesser von DA 500. Bis zu Betriebsdrücken von 10 bar ist die Sanierung von Druckleitungen mit Compact Pipe mit eigener Statik ohne Berücksichtigung der alten Leitung möglich. Wenn das Altrohr statisch den Betriebsanforderungen genügt, ist das Verfahren auch für wesentlich höhere Drücke geeignet. "Wir haben kürzlich bei Gaz de France in Lingen Rohölleitungen mit Betriebsdrücken bis zu 34 bar mit Compact Pipe saniert", so Heinrich Bollmer.
Spannungen im Blick
Die spezifischen Eigenschaften von PE erfordern jedoch auch entsprechendes Know How beim Einbau des Compact Pipe. Da während der Produktion das PE-Rohr mit aus dem Extruder gezogen wird und auch während der Verformung herstellungsbedingte Zugkräfte auf das Rohr wirken, entstehen im Compact Pipe axiale Spannungen, die sich während der Erwärmung auf der Baustelle abbauen wollen und zu einer Verkürzung des Rohres um bis zu drei Prozent führen können. Um das zu verhindern, werden an Rohrenden so genannte Festpunkte aus PE aufgeschweißt, die das neue Rohr gegen das alte abstützen und so das Verkürzen des Neurohres verhindern. "Die dabei entstehenden axialen Spannungen bauen sich innerhalb von drei Monaten zu 80 Prozent ab, Restspannungen können bis zu 10 Jahren erhalten bleiben", erläutert Heinrich Bollmer und weist darauf hin, dass dieses Phänomen bei der Sanierung von Kanälen mit Anschlussleitungen besonders zu beachten sei. "Sonst besteht die Gefahr, dass die Einbindungen nachträglich abreißen. Das wird durch die Festpunkte verhindert und die Zuläufe können sicher mit dem AKE-System eingebunden werden."
Gute Perspektiven
Mit diesen Besonderheiten des Sanierungsverfahrens Compact Pipe kennt man sich jedoch bei Stehmeyer & Bischoff bestens aus. Seit 1993 setzt das Traditionsunternehmen mit Stammsitz in Bremen als Lizenznehmer das Verfahren mit guten Erfahrungen ein. "Und wir sehen für Compact Pipe sehr gute Zukunftsperspektiven", sagt Norbert Korbach, seit Anfang des Jahres Geschäftsführer der Niederlassung von Stehmeyer & Bischof in Köln, die diese Maßnahme in Tönisvorst abgewickelt hat. Korbach, mit über 20 Jahren Berufserfahrung in der Kanalinstandhaltung, sieht für Compact Pipe mit seinen spezifischen Eigenschaften und Vorteilen eine große Anwendungsvielfalt sowohl im industriellen als auch im kommunalen Bereich. "In vielen Fällen ist Compact Pipe eine durchaus interessante Alternative zum Schlauchlining. Der Kunde erhält ein neues Rohr, werkseitig aus einem DIN-gerechten Material gefertigt. Wir stellen fest, dass wir mit Nebenangeboten gute Chancen haben. Wenn die Randbedingungen stimmen, brauchen wir uns auch vom Preis her nicht zu verstecken." "Die technische Argumentation, insbesondere bei unseren Projekten in der chemischen Industrie,  überzeugt ohnehin", ergänzt Wolf-Michael Sturm, verantwortlicher Bauleiter und rechte Hand von Norbert Korbach in der Kölner Niederlassung von Stehmeyer & Bischoff.
Das bestätigen auch die Stadtwerke Tönisvorst GmbH. Für Dieter Gredig ist die kurze Bauzeit ein weiteres Argument für Compact Pipe. In sieben Wochen ist die Sanierung der kompletten 1935 Meter langen Leitung mit einem Auftragsvolumen von 250.000 Euro einschließlich der konventionellen Tiefbauarbeiten, die separat an das Unternehmen Horlemann aus Uedem vergeben wurden, abgeschlossen gewesen. Und das, obwohl im Bereich der Baugruben zusätzliche und nicht eingeplante Maßnahmen zur Grundwasserabsenkung erforderlich wurden. "Der unerwartet hohe Grundwasserstand hätte uns bei der Neuverlegung in offener Bauweise noch zusätzlich erhebliche Probleme bereitet", sieht sich Dieter Gredig in der Wahl des Sanierungsverfahrens Compact Pipe bestätigt.

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Artur Graf zu Eulenburg (Chefredakteur bei der bi UmweltBau)

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