Das Recht des VOB-Vertrages - Teil 3/18: Kooperation die Ausführungsunterlagen betreffend

08.06.2005

Im dritten Teil der Reihe wird erläutert, was im Hinblick auf die Ausführungsunterlagen zu beachten ist.In § 3 VOB/B sind die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit den Ausführungsunterlagen geregelt, die der Auftragnehmer benötigt, um die von ihm geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringen zu können. Demnach obliegt es grundsätzlich dem Auftraggeber, diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die meisten rechtserheblichen Probleme ergeben sich, werden die Unterlagennicht rechtzeitig/unvollständig odermit Mängeln/Widersprüchenübergeben. In beiden Konfliktfällen, die ich im weiteren aus rechtlicher Sicht mit Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen – insbesondere die Vergütung betreffend - näher erläutere, ist die vertragliche Kooperation gefragt.

1. Rechtzeitige Übergabe der Ausführungsunterlagen

Nach der vertraglichen Regelung des § 3 Nr. 1 VOB/B schuldet der Aufraggeber die Ausführungsunterlagen. Es müssen die Unterlagen unentgeltlich und rechtzeitig übergeben werden, die für die Durchführung der jeweils in Auftrag gegebenen Bauleistungen nötig sind. Dazu gehören alle Unterlagen, die nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, den Vertragsbestimmungen, insbesondere den technischen Vertragsbedingungen und der allgemeinen anerkannten Gewerbesitte für eine sachgemäße und pünktliche Ausführung erforderlich sind. Der Auftragnehmer muss die Ausführungsunterlagen vor Beginn des betreffenden Leistungsteils in den Händen haben und zwar so rechtzeitig, dass eine angemessene Zeit für die gebotene und sachgerechte Vorbereitung verbleibt.

Verletzt der Auftraggeber seine Mitwirkungspflicht, die Ausführungsunterlagen rechtzeitig zu übergeben, begründet dies unter Umständen eine Schadensersatzpflicht gem. § 280 i. V. m. § 286 BGB bzw. § 280 Abs. 3 i. V. m. § 281 ff. BGB. Bis zur Übergabe der Unterlagen ist der Auftragnehmer in der Erbringung seiner Leistungen im Sinne von § 6 Nr. 1 VOB/B offenkundig behindert, was den Schadensersatzanspruch nach § 6 Nr. 6 VOB/B begründen kann. Gestützt auf selben Sachverhalt bleibt es dem Auftragnehmer auch unbenommen, seine Mehrkosten als billige Entschädigung zu berechnen (BGH, Baurecht 2000, 722).

Die Wartzeit und die Neufestlegung von Ausführungsfristen stellt sogleich eine Änderung des zeitlichen Bauablaufes, mithin des Bauentwurfes im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B dar, die einen Anspruch auf die Anpassung des Preises unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten begründet. Der Auftragnehmer ist in einem solchen Fall also berechtigt, wegen der sich aus der verspäteten Übergabe ergebenden zeitlichen Änderungen des Bauentwurfes einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B zu berechnen. (Zum Verhältnis von Vergütungs- und Schadensersatzanspruch wegen Bauzeitenstörung im einzelnen Diehr, BauR 2001, Seite 1507 ff. m. w. N. sowie Diehr, ZfBR 2002, Seite 316 ff. m. w. N.).

Die genannte vergütungsrechtliche Vorschrift des § 2 Nr. 5 VOB/B hat zugunsten des Auftragnehmers den Vorteil, dass er dem Auftraggeber kein Verschulden vorwerfen muss und auch keinen konkreten Schaden für die Verschiebung der Bauzeit darzulegen und zu beweisen hat. Vielmehr kommt es darauf an, den Grund der Änderung des Bauentwurfes in zeitlicher Hinsicht in der Risikosphäre des Auftraggebers nachzuweisen. Dies gelingt mit Blick auf die klare vertragliche Regelung des § 3 Nr. 1 VOB/B ohne weiteres, wonach der Aufraggeber die Ausführungsunterlagen schuldet. Die Mehr- oder ggf. auch Minderkosten dieser zeitlichen Änderung sind kalkulatorisch, also auf der Grundlage der Preisermittlung der vertraglichen Leistungen prüffähig zu berechnen Dazu muss er den bei der Angebotsabgabe vorgesehenen und entsprechend kalkulierten Bauablauf zu dem jetzt etwa durch den Baustillstand später begonnenen Leistungen incl. etwaigen Beschleunigungswünschen des Auftraggebers anzunehmenden, also modifizierten Soll-Bauablauf ins Verhältnis setzen und den so entweder

  • nach § 5 VOB/B neu angeordneten oder
  • nach § 6 Nr. 4 VOB/B neu gebildeten

Bauablauf hinsichtlich der hieraus folgenden Mehr- oder Minderkosten auf der Grundlage der Preisermittlung der vertraglichen Leistung neu berechnen.

Dies ist regelmäßig schwierig genug. Er muss dem Auftraggeber wegen der Verspätung anders als nach § 6 Nr. 6 VOB/B und § 642 BGB aber kein Verschulden vorwerfen. Vor allem muss er dem Auftraggeber, - will er entgangenen Gewinn geltend machen – nicht auch noch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorwerfen und nachweisen, was regelmäßig nicht möglich sein wird. Weiter muss er nicht die regelmäßig praktisch kaum mögliche konkrete Schadensberechnung mit Nachweislegung aufarbeiten.

Verzögert sich die Übergabe der Ausführungsunterlagen für einen längeren Zeitraum, kann der Auftragnehmer nach § 6 Nr. 5 VOB/B abrechnen. Diese Abrechnung enthält die Leistungen, die tatsächlich schon erbracht wurden. Außerdem können die Kosten zur Vergütung gestellt werden, die dem Auftragnehmer bereits entstanden sind und in den Vertragspreisen des nicht ausgeführten Teils der Leistungen enthalten sind. Mit dieser Formulierung des § 6 Nr. 5 VOB/B sind also nicht die eigentlichen Stillstandzeiten, nicht die Kosten der Verschiebung der Bauzeit – etwa Mehrkosten aus einer Bauzeit in ungünstigerer Jahreszeit – und auch nicht etwaige Beschleunigungskosten gemeint. In Bezug genommen werden vielmehr schlicht die Vergütungsanteile, die durch die Erbringung der Leistung durch den eigentlich geschuldeten Erfolg noch verdient werden müssen. Insofern können Vorfinanzierungen abgelöst werden, z. B. wenn bereits Material eingekauft wurde.

Werden die Unterlagen länger als 3 Monate nicht übergeben, darf der Auftragnehmer nach § 6 Nr. 7 VOB/B kündigen und wie vorbeschrieben abrechnen und Schadensersatz geltend machen. Interessant ist, dass zumindest die Kommentarliteratur dem Auftragnehmer daneben das Recht einräumt, bereits vor Ablauf der 3 Monate dem Auftraggeber eine angemessene Frist zur Übergabe der Unterlagen nach § 9 Nr. 1 a VOB/B zu setzen, um eine vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses durch schriftliche Kündigung nach § 9 Nr. 2 VOB/B zu erreichen. Auch nach berechtigter Kündigung kann Schlussrechnung über die bisher erbrachten Leistungen gelegt und zusätzlich Entschädigung nach § 642 BGB geltend gemacht werden, wobei weitergehende Ansprüche des Auftragnehmers, etwa auf Mehrvergütung wegen der Bauzeitenstörung nach § 2 Nr. 5 VOB/B oder Schadensersatz nach § 6 Nr. 6 VOB/B unberührt bleiben.

2. Mangelhafte Ausführungsunterlagen

Bleibt es – wie regelmäßig – bei dem Vertrag, hat der Auftragnehmer die geschuldete Leistung nach den durch die Unterlagen vorgegebenen Richtlinien auszuführen. Eine eigenmächtige Abweichung hiervon machte die Leistung mangelhaft, es sei denn, hierdurch wird der Wert der Leistungen oder seine Tauglichkeit zu den gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch nicht gemindert (BGH NJW 1982, 1702).

Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die Ausführungsunterlagen auf etwaige Unstimmigkeiten zu überprüfen und den Auftraggeber auf entdeckte oder vermutete Mängel hinzuweisen, § 3 Nr. 3 Satz 2 VOB/B. Erkennt der Auftragnehmer Mängel, Widersprüchlichkeiten oder Lücken in den Ausführungsunterlagen, soll er diese also nicht eigenmächtig korrigieren.

Für die Wartezeit der Klärung gelten obige Ausführungen zur Änderung der zeitlichen Bauausführung/Behinderung ganz entsprechend.

Im Rahmen der durch § 3 Nr. 3 Satz 2 VOB/B initiierten Kooperation sollten die Mängel der Ausführungsplanung einverständlich zwischen den Parteien im beiderseitigen Bewusstsein einer Planänderung erfolgen. Denn während die einseitige Korrektur des Auftraggebers auf die Hinweise des Auftragnehmers als auch die gemeinsam vorgenommene Planänderung zu einem Vergütungsanpassungsanspruch nach § 2 Nr. 5 VOB/B führt, ist dem Auftragnehmer nicht zu empfehlen, die Unterlagen eigenständig nach seinem Gutdünken zu korrigieren und sich nur vom Auftraggeberplaner/Architekt gegenzeichnen zu lassen. Denn der Auftragnehmer setzt sich so dem Planungsrisiko aus. Er liefert dem Auftraggeber die Vergütung betreffend das Argument, es sei etwas nicht gefordertes/vereinbartes i.S.v. § 2 Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 VOB/B geleistet worden, was nicht vergütet werden müsse.

Der Auftragnehmer sollte also seine Kooperationspflicht ernst nehmen und auf Mängel – am besten schriftlich, auch wenn § 3 Nr. 3 Satz 2 VOB/B dies anders als § 4 Nr. 3 VOB/B nicht verlangt – hinweisen; die Korrektur der Unterlagen jedoch dem Auftraggeber überlassen und anzeigen, dass bis dahin seinerseits nicht geleistet werden kann. Schon alleine das Unterbreiten eines Vorschlages könnte später zu Irritationen hinsichtlich der Haftungsfolgen führen. Wegen der Möglichkeit, für die Wartezeit und die Verschiebung der Bauleistungen eine Mehrvergütung nach § 2 Nr. 5 VOB/B berechnen zu können, besteht für eine „Selbstvornahme“ die Korrektur der Ausführungsplanung betreffend regelmäßig kein wirtschaftliches Bedürfnis.

Diese Pflichtverteilung begrenzt dann auch die Prüfungspflicht des Auftragnehmers bzgl. vermuteter oder entdeckter Mängel. Ähnlich der Prüfungs- und Hinweispflicht nach § 4 Nr. 3 VOB/B reduziert sich diese weiter, hat der Auftraggeber Sonderfachleute mit der Ausführungsplanung beauftragt. Maßstab ist der verantwortungsbewusste Auftragnehmer, der nach Treu und Glauben unter Zugrundelegung seines fachlichen Könnens und seiner Erfahrung nicht ohne weiteres blind auf die Angaben des Auftraggebers vertrauen darf und vielmehr damit rechnen muss, dass sich Fehler in die Ausführungsplanung einschleichen können. Auf inhaltliche Probleme, wie z. B. rechnerische Fehler oder offenkundige Abweichungen der Planung von den örtlichen Gegebenheiten, muss aber hingewiesen werden.

Die Praxis lehrt, dass der Auftraggeber regelmäßig auf die Ansprüche des Auftragnehmers wegen mangelhafter Ausführungsplanungen einwendet, der Auftragnehmer habe die Prüfpflicht verletzt. In der Tat kann ein Mithaftungsrisiko nie ausgeschlossen werden. Die meisten Fälle werden daher außergerichtlich oder gerichtlich nach letztendlich unter kaufmännischen Gesichtspunkten verglichen. Allein deswegen ist dem Auftragnehmer zu empfehlen, die Prüf- und Hinweispflicht ernster zu nehmen, als er nach der rechtlichen Bewertung müsste und vorsorglich schriftlich lieber einmal zu viel als zu wenig Rückfrage zu halten, zeigen sich aus seiner Sicht Ansatzpunkte. Diese Empfehlung soll jedoch nicht die Rechtslage ausblenden, dass es zum vertraglichen Pflichtenkreis des Auftraggebers gehört, die Ausführungsplanung zu erbringen und dieser grundsätzlich für Planungsfehler seines Architekten oder sonstigen Beschäftigten Fachmannes (z. B. Statiker) als dessen Erfüllungsgehilfe nach § 278 BGB einzustehen hat.

3. Abweichende Vereinbarungen/AGB-Prüfung

Von § 3 VOB/B abweichende Vereinbarungen sind grundsätzlich möglich. So kann der Auftraggeber den Auftragnehmer von Anfang an beauftragen, die Ausführungsplanung gegen Vergütung zu erbringen. In einem solchen Fall dürfte sich die Kooperationspflicht umkehren. Entsprechend der Vorschrift des § 3 Nr. 3 S. 2 VOB/B muss dann der Auftraggeber auf etwaige Unstimmigkeiten bzw. entdeckte oder vermutete Mängel der Ausführungsplanung hinweisen, zumal der Auftraggeber das grundsätzliche Projekt durch eine Entwurfsplanung - ausgearbeitet von dessen Sonderfachleute - vorgegeben hat.

Unwirksam ist es aber, wird einem Auftragnehmer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch den Auftragnehmer die Ausführungsplanung ohne Vergütung überantwortet.

Genauso AGB-widrig sind Klauseln, wonach dem Auftragnehmer übergebende Unterlagen als vollständig gelten sollen, wenn der Auftragnehmer nicht - z. B. binnen 3 Tagen - Widerspruch eingelegt. Sie weichen vom gesetzlichen Leitbild ab, wonach der Auftraggeber die von ihm beauftragten Leistungen zu beschreiben hat, wobei § 3 VOB/B eine Ausformung dieses allgemeinen Rechtsgrundsatzes darstellt. Eine Einschränkung dieser Pflicht durch fingierte Erklärung verstößt gegen § 308 Nr. 5 BGB.

Auch Haftungsfreistellungen wären unwirksam, § 309 Nr. 7 und 8 BGB.

Unwirksam sind so Klauseln, wonach zwar der Auftraggeber dem Auftragnehmer die Ausführungsplanung zur Verfügung stellt, der Auftragnehmer dann jedoch für die Richtigkeit die Haftung zu übernehmen hat und die weitere Ausführungsunterlagen selbst erstellen muss.

Im Übrigen sind allgemeinen Freizeichnungen nach § 307 BGB unangemessen und daher unwirksam.

Hierzu gehören Formulierungen, wonach während der Bauausführungsphase notwendig werdende Änderungsplanungen vom Auftragnehmer kostenlos erbracht werden müssen.

Gleiches gilt für Klauseln, die dem Auftragnehmer auferlegen, fehlende oder mangelhafte Zeichnungen selbst zu erstellen, ohne dass er hieraus Ansprüche herleiten könnte.

Eine Zusammenstellung der maßgeblichen AGB-widrigen Klauseln findet sich in Diehr/Knipper, Wirksame und unwirksame Klauseln im VOB-Werkvertrag, Vieweg 2003.

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Heidi Schettner, Bauverlag BV GmbH

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