„Wir wollen Vorbilder sein für andere Frauen“

10.08.2022

Unternehmen will gleiche Bedingungen für alle schaffen

von Barbara Hagedorn

Die Annahme, dass es auf dem Bau auf pure Muskelkraft ankommt, ist längst überholt. Genauso wie das weit verbreitete Klischee, die Arbeit auf dem Bau sei nur etwas für Männer. Wir sind überzeugt: Dank neuer Arbeitsmethoden und dem technischen Fortschritt gibt es kaum einen Job, den Frauen nicht auch machen könnten. Was stattdessen zählt, sind Köpfchen, Affinität für Maschinen und Fingerspitzengefühl im Umgang mit neuester Technik.

Klischees aufbrechen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken

Wir wollen mit Klischees aufräumen, den Fachkräftemangel bekämpfen und vor allem wollen wir Vorbilder sein für andere Frauen. Deshalb starteten wir Ende 2020 mit unserer „Frau am Bau“-Kampagne. Seitdem ist viel passiert. Halb Gütersloh haben wir plakatiert, viele Interviews gegeben, ein branchenweites Netzwerk mit über 25 Firmen etabliert und einen Instagram-Kanal aufgebaut. Im August 2021 konnten wir erstmals vier junge Frauen für eine Ausbildung im gewerblichen Bereich gewinnen – drei angehende Baugeräteführerinnen und eine Tiefbaufacharbeiterin. Innerhalb der Branche ist das eine absolute Seltenheit und ein Ergebnis, was uns sehr stolz macht.

Mehr als 90 Prozent aller Baggerfahrer sind männlich. Frauen auf den Baustellen gibt es kaum, denn in keiner anderen Branche ist der Frauenanteil so gering wie im Baugewerbe. Auf gerade einmal 13 Prozent kommt der Frauenanteil hier, in bauhauptgewerblichen Berufen liegt er sogar nur bei 1,6 Prozent. Zwar steigt mittlerweile die Zahl der Bauingenieurinnen, dennoch: Nach wie vor entscheiden sich zu wenige Frauen für die Branche. Das muss sich ändern. Wir können es uns schlichtweg nicht länger leisten, für Frauen unattraktiv zu sein. Obwohl der Markt für Abbruch und Bau boomt, wird es immer schwerer, freie Stellen zu besetzen. Hinzu kommt, dass in den nächsten zehn Jahren ein Viertel der deutschen Baufacharbeiter altersbedingt ausscheiden wird. Wenn wir jetzt nicht anfangen, Strukturen zu wandeln, stehen wir in den nächsten Jahren vor noch größeren Problemen.

Natürlich ist uns bewusst, dass wir nicht von einem Tag auf den anderen die Welt verändern, aber wir legen ein erstes Fundament und möchten in kleinen Schritten etwas bewegen. Denn das Entscheidende ist, dass man anfängt und Dinge verändert. Das kann man im stillen Kämmerchen machen oder man redet über Probleme und findet auf dem Weg neue Unterstützer und inspiriert andere. Im Zuge der Kampagne haben wir deshalb das Netzwerk „WIR.KÖNNEN.BAU“ gegründet, dem sich mittlerweile mehr als 25 Firmen aus der Baubranche und dem Handwerk angeschlossen haben.

Gemeinsam haben wir uns zum Ziel gesetzt, mehr Frauen für die Branche zu begeistern. Alle Mitglieder teilen die Überzeugung, dass Frauen den gleichen Job machen können wie Männer und viele Lust auf Bau haben, sich aber letztendlich nicht trauen, den Schritt zu gehen. Darum wird es Zeit, dass wir nicht nur Berge auf der Baustelle, sondern auch in den Köpfen versetzen. In regelmäßigen virtuellen Treffen tauschen wir uns aus, sprechen Probleme offen an und entwickeln Konzepte, um sowohl auf interner als auch auf externer Ebene etwas zu bewegen.

Mit unserer Kampagne möchten wir Schwierigkeiten thematisieren, aber gleichzeitig nicht in immer gleiche Klischees verfallen. Ich möchte vielmehr, dass wir alle gemeinsam Dinge voranbringen und beide Geschlechter ihre Stärken vereinen. So kann ein unschlagbares Team entstehen. Darauf hinzuarbeiten sollte unser aller Ziel sein.

Baubranche schafft Perspektiven

Nicht zu vergessen ist, dass wir abwechslungsreiche Jobs mit Zukunft bieten. Gerade im Hinblick auf die Einhaltung der Klimaziele, der Sanierung von maroder Infrastruktur und den Bedarf an Wohnraum. Wer im Bau arbeitet, schafft Chancen, Perspektiven. Wir bei Hagedorn packen ausgediente Industriebrachen an und machen sie wieder wertvoll – Grünflächenversiegelungen werden so vermieden. Unsere Arbeit ist ein wichtiger Baustein für den Strukturwandel in Deutschland. Das bietet nicht nur Männern, sondern auch Frauen, die Chance, Teil davon zu sein.

Wir sind überzeugt davon, dass viele Frauen Interesse an Berufen im Baugewerbe haben, aber noch zögern. Diese Frauen möchten wir anschubsen, ihnen Mut machen, indem wir ganz bewusst Gesicht zeigen. Noch sind wir nicht viele, aber wir sind da. Und wir wollen Vorbilder sein. Dass es an weiblichen Vorbildern mangelt, ist kein Geheimnis und auch das Ergebnis einer von uns initiierten branchenweiten Umfrage. Mehr als 92 Prozent der Frauen wünschen sich mehr weibliche Vorbilder in der Branche sowie eine stärkere berufliche Förderung.

Im März 2021 starteten wir die Umfrage mit rund 800 Teilnehmer:innen. Neben dem Mangel an Vorbildern gab es weitere spannende Erkenntnisse. Zum Beispiel kam heraus, dass mehr als 95 Prozent der befragten Männer der Meinung sind, dass Frauen in der Branche einen genauso guten Job machen wie Männer. Zugleich sagen 75 Prozent der Männer, dass das mangelnde Vertrauen der Kollegen die größten Hindernisse für Frauen sind. Auch die ungleichen Voraussetzungen sind Teil der Ergebnisse. Etwa 75 Prozent der Frauen teilen die Empfindung, dass sie es in der Branche schwerer haben als Männer. Und dass Männer – bei gleichen Qualifikationen – eher befördert werden.

Wir wünschen uns gleiche Bedingungen für alle. Alle Mitarbeiter:innen sollen die gleichen Chancen haben. Geschlecht, Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung, soziale Herkunft und Alter dürfen keine Rolle spielen. Was zählt, sind Leidenschaft, Einsatzbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein.

Trotz allem ist uns natürlich bewusst, dass auch wir bei Hagedorn weit entfernt sind von perfekt. Auch bei uns sind Frauen ganz klar in der Unterzahl. Das zu ändern, ist eine Herausforderung und geht nicht von heute auf morgen. Umso wichtiger ist es, dass wir alle an einem Strang ziehen. Und je mehr Unterstützer wir gewinnen können, umso eher kommen wir unserem Ziel ein Stückchen näher.

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